Corona: Banken droht weltweit 3,7 Billionen US-Dollar Einnahmeverlust
McKinsey Global Banking Annual Review: Banken haben akute Krise 2020 gut überstanden - Erwartete Kreditausfälle 2021 lassen Eigenkapitalrendite auf 1,5% schrumpfen - Mitte 2020 wurden drei Viertel aller Banken unter Buchwert gehandelt
DÜSSELDORF. Die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie werden die Banken erst mit Verzögerung massiv in den kommenden Jahren zu spüren bekommen: Bis 2024 könnten 3,7 Bio. US-Dollar an Erträgen verloren gehen – dies sind umgerechnet die gesamten Erträge der Banken innerhalb eines halben Jahres. Die Eigenkapitalrendite (RoE) könnte durch die erwarteten Kreditausfälle im kommenden Jahr auf lediglich 1,5% sinken – 2019 lag sie bei 8,9%, für 2020 werden 4,9% erwartet. Dies geht aus dem aktuellen „Global Banking Annual Review 2020“ von McKinsey & Company hervor.
„Die letzte große Wirtschaftskrise 2008 hatte ihren Ursprung im Finanzdienstleistungssektor mit Auswirkungen für die gesamte Wirtschaft. Heute sind die wirtschaftlichen Verwerfungen vor allem realwirtschaftlicher Natur – mit langfristigen Folgen für die Banken“, sagt Philipp Koch, Seniorpartner im Münchener Büro von McKinsey. „Der Bankensektor hat sich in der Krise als erstaunlich robust erwiesen und die Realwirtschaft – beispielsweise durch die Auszahlung der staatlichen Hilfen – gut durch die Krise begleitet. Doch jetzt stehen die Banken durch die drohenden Kreditausfälle vor enormen Herausforderungen.“
Den Tiefpunkt der Entwicklung erwartet McKinsey 2021. Dann könnte die Eigenkapitalrendite in Nordamerika nur noch bei -1,1%, in Europa bei -1,8% und in den entwickelten Ländern Asiens bei -0,2% liegen. Diese Auswirkungen dürften einer Branche, die bereits unter Stress steht, deutlich zu schaffen machen. Mitte 2020 wurde die Branche mit einem Abschlag von 55% auf den breiteren Markt bewertet, ein historischer Tiefstand, bei dem 74% der Banken sogar unter Buchwert gehandelt wurden. Hierbei gibt es Unterschiede nach Regionen: Das Kurs-Buchwert-Verhältnis nordamerikanischer Banken lag zur Jahresmitte mehr als 30 Punkte über dem europäischer und 15 Punkte über dem asiatischer Banken. Diese regionalen Unterschiede spiegeln die Veränderungen der Bankenlandschaft der vergangenen 20 Jahre wider. Im Jahr 2000 wies das Ranking der wertvollsten Banken der Welt noch 14 europäische, acht amerikanische und nur zwei asiatische Institute auf. Im Jahr 2019 stand neben 15 asiatischen und sechs amerikanischen Banken nur noch eine europäische Bank auf der Liste.
Die Studie belegt, dass Banken schnell handeln müssen, um in einem weitaus schwierigeren Umfeld als im vergangenen Jahrzehnt wieder das ROE-Niveau aus Vorkrisenzeiten zu erreichen. Auch die Nullzinsperiode verlängert sich durch die Wirtschaftskrise und zieht die Nettozinsmargen nach unten.Philipp Koch: „Wir sehen Chancen sowohl im Zähler als auch im Nenner der Eigenkapitalrendite: Banken können mit neuen Ideen die Produktivität deutlich steigern und gleichzeitig ihr Kapital zielgerichteter einsetzen. Darüber hinaus erwarten wir Konsolidierung sowohl in einzelnen Märkten als auch länderübergreifend.“
Die Studie nennt für Banken drei Ansätze, durch die sie sich besser positionieren können: Erstens müssen die Banken die in der Krise 2020 neu gewonnene Schnelligkeit und Agilität dauerhaft in ihren Prozessen verankern. Zweitens sollten sie ihr Geschäftsmodell grundlegend überarbeiten, um die Periode mit Nullzinsen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu überstehen und dabei die besten neuen Ideen aus dem Digitalumfeld als Inspiration nutzen. Drittens sollten die Banken ihre übergeordnete Rolle für die Gesellschaft betonen, und insbesondere Nachhaltigkeitsaspekte (ESG) stärker in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen.